Effektiver mit «TET»- Programmen

Rédacteur: Benza Banjac

Durch abteilungsübergreifende Zusammenarbeit und Einbeziehung von Lieferanten in Produktentwicklungsprozesse lassen sich grössere Einsparpotenziale realisieren und Innovationen vorantreiben. Das erhöht auf beiden Seiten den Profit.

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(Bild: panthermedia.de)

Die Automobilindustrie gilt als Vorreiter moderner Beschaffungsmethoden. Allerdings hat sie auch ein negatives Vorbild abgegeben. Mit Preisdiktaten gegenüber Lieferanten wurden vor einigen Jahren die Kosten massiv gesenkt. Dies führte zu Qualitätsproblemen, die zu teuren Rückrufaktionen führten. Als schliesslich wichtige Lieferanten in Schieflage geraten waren, mussten teure Stützungsaktionen eingeleitet werden, um den Nachschub zu sichern.

Billig ist nicht immer gut. Experten raten, den Preis als traditionell hauptsächliches Auswahlkriterium zugunsten anderer Stellschrauben in den Hintergrund zu rücken. Durch gemeinsam herbeigeführte Produktinnovationen sowie eine Optimierung der Supply Chain und ihrer Prozesse liessen sich deutlich bessere wirtschaftliche Effekte erzielen als durch blosses Cost-Cutting. «Eine funktionierende Lieferantenbeziehung basiert auf gegenseitigem Vertrauen und Respekt und zugleich auf klar formulierten Zielsetzungen. Ein sehr wichtiges Element ist das Thema ‹Lieferantenentwicklung› insbesondere für Schlüssellieferanten», unterstreicht Bernd Reisacher, Vice President Group Procure­ment der Kaba AG in Rümlang, eines der weltweit führenden Unternehmen der Sicherheitsindustrie.

«Wertschöpfungspartnerschaft» lautet das Stichwort. Auf Fachtagungen findet es lauten Beifall. In der Praxis vieler Unternehmen erweist es sich allerdings oft als blosse Theorie. Es fehlt an Erfahrungen in der Bereichs- und organisationsübergreifenden Zusammenarbeit. Der Einkauf allein kann laut einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung AD Little nur 30 % aller möglichen Hebel einsetzen; zu 70 % ist er auf die Expertise und Mitwirkung anderer Unternehmensfunktionen angewiesen, vor allem der Entwicklungsabteilung.

Verankerung im Organisationsplan

Wie ein solches crossfunktionales Zusammenspiel funktionieren kann, lässt sich am Beispiel «TET» nachvollziehen. Die drei Buchstaben stehen für Technologie-Experten-Teams. Entwickler, Beschaffer und Lieferanten werden bereichs-, funktions- und gegebenenfalls auch länderübergreifend an einen Tisch gebracht.

Allerdings ist der Weg von der Theorie zur Praxis in vielen Unternehmen nicht einfach. «Zunächst gilt es, althergebrachtes Hierarchie- und Abteilungsdenken zu überwinden. Der Wechsel vom linearen zum vernetzten Denken bedeutet auch einen Kulturwandel», weiss Markus Füchtenbusch, Vorstand der Convivax AG, einer Beratungsgesellschaft für strategische Veränderungsprozesse im Einkauf mit Sitz in Ermatingen, und Dozent an der Hochschule Konstanz. Die Firmenleitung sei gefordert – nicht nur deklamatorisch. Es gelte, die neuen Prozesse zu strukturieren und im Organisationsplan verbindlich zu verankern. «Die TET-Teams werden von einer Doppelspitze aus einem Einkäufer und einem Entwickler geleitet. Aus den einzelnen Standorten werden Experten temporär hinzugezogen», erläutert Markus Füchtenbusch die Umsetzung am Beispiel eines international agierenden Maschinenbauers.

Jedes Team hat zwei Sprecher: den Entwickler, der in dem betreffenden Technologiefeld zuhause ist, und den strategischen Einkäufer, der Produkte, Lieferanten sowie Werke mit Mengen, Werten und Qualität kennt. Gemeinsam ist es möglich, sich ein umfassendes Bild über Ressourcen einerseits und zukünftige Trends zu machen. Die Sprecher reservieren sich ein bis zwei Tage pro Woche für die gemeinsame Arbeit. Im erweiterten Team sind jeweils ausgewählte Entwickler und Einkäufer aus den relevanten Standorten mit einbezogen. Hinzukommen diejenigen Lieferpartner, von denen ein hoher Innovations- und Wettbewerbsbeitrag erwartet wird. Zu den ständigen Themen gehören vor allem technische Veränderungen, Standardisierungen, Modularisierungen und Qualitätsverbesserungen. «Last but not least geht es natürlich auch ums Geld. Allerdings ersetzen Zielvereinbarungen und gemeinsame Optimierungsprozesse Preisdiktate alter Prägung – zum beiderseitigen Vorteil», so Füchtenbusch.

Bestandteil der Unternehmensagenda

Einkauf und Entwicklung steuern die Arbeit gemeinsam. Deshalb wird der Prozess auch «crossfunktional» gesteuert. Jedes TET-Team hat einen «Coach». Je nach technologischem Schwerpunkt ist dies entweder der Einkaufs-, Produktions- oder Entwicklungsleiter des jeweiligen Standorts. Etwa zweimal pro Jahr findet ein Workshop im grossen Kreis statt. Es werden Resümees gezogen, die Entwicklungen und Anforderungen erörtert und die künftige Strategie gemeinsam festgelegt. Das TET-Programm ist fester Bestandteil der Unternehmensagenda. Regelmässig erfolgt eine Berichterstattung an das «Technologie­Council», dem auch die Geschäftsführung oder der Vorstand angehört, und das Entscheidungen mit strategischer Bedeutung für die Gruppe trifft. «In der Beschaffung werden in der Zukunft sogenannte NPI-Buyer (NPI = New Product Introduction) eine wichtige Rolle spielen, die bei den Entwicklern vor Ort sitzen und den Prozess von der ersten Entwicklungsphase an begleiten», so Bernd Reisacher zur Zukunft des Einkaufs. <<

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